Franz von Riedmatten v/o Hudi, 29.12.1923 - 21.04.2018

21.04.2018 - Carl Hans Brunschwiler v/o Skeps (AKV Neu-Romania)

Nachruf

lic.iur.

Franz von Riedmatten v/o Hudi

Kyburger, Neu-Romania

29.12.1923 - 21.04.2018

 

 

Dies ist meine 3. Trauerrede, die ich als Neuromane an einem Kyburger Trauerkommers halte: die erste war bei Mario Oss v/o Klex, die zweite bei Beat Zwimpfer v/o bijou, jetzt die dritte Rede für Hudi.

Irgendwie, das Rätsel gebe ich euch nur auf, ich löse es nicht, ist es ein Zeichen für den geistigen Schwerpunkt dieser „Doppelbürger“: Dass ich bei Hudi sprechen muss, war mir schon lange klar.

Wenn ein alter Mann stirbt, ist es schwierig, einen anderen alten Mann zu finden; sonst hätte er den Verstorbenen ja nicht gekannt und er sollte noch in der Lage sein, eine Rede zu halten.

Ich mag nicht mehr Reden schreiben, darum kann ich nichts Schriftliches hier ablesen: ich wage es, mit einem unleserlichen Spick zu improvisieren wie weiland im Burschenkonvent.

Hudi war ein ausgezeichneter, begnadeter Stegreifredner, auch ein Stegreif-Telefonierer! Er war ein glorioser Mensch, geistreich, in meinen Augen ein letzter Humanist!

Er war sehr sprachbegabt: er sprach perfekt Einsiedlerdialekt und Walliserdeutsch – das sind zwei verschiedene Sprachen. Er sprach aber ebenfalls absolut perfekt französisch und italienisch. Er war wirklich ein toller Typ.

Nun, das als captatio benevolentiae.

Ich werde keinen umfassenden historischen Lebenslauf geben - den habt ihr in der Kirche gehört.

Meine Rede ist eher gruppiert um meine ganz persönlichen Erinnerungen an Hudi, an mein Leben mit ihm.

Meine erste Begegnung mit Hudi war am Kollegium in Einsiedeln. Sie war sehr nachhaltig, obwohl alles dagegen sprach, dass wir uns gekannt hätten:

Er war der Ureinsiedler, 8 Jahre im Externat. Ich war ein Zuzüger aus dem Aargau, 3 Jahre jünger als er, 3 Klassen unter ihm. Ich habe nur 3 Jahre in Einsiedeln verbracht, war also „Kurzaufenthalter“: 1941 ging ich in die 3. Klasse – 1944, nach der 5. Klasse, zog ich wieder weg. Und trotzdem war Hudi für mich ein Begriff. Die gemeinsame Zeit in Einsiedeln war für uns wichtig und nachhaltig.

In der Neu-Romania haben wir das Band endgültig geknüpft, obwohl wir nicht gemeinsam aktiv waren. Als ich im 4. Semester nach Fribourg kam, war Hudi schon weg, jetzt hatten ihn die Kyburger.

An der GV Locarno in den 50iger Jahren habe ich als CC kandidiert, horribile dictu, zwar chancenlos – doch Hudi hatte eine grosse Empfehlungsrede auf Italienisch gehalten. Das war so ein erstes Zeichen unserer Freundschaft im späteren Leben.

Unser gemeinsames couleurstudentische Leben fand eigentlich erst in der Altherrenschaft der Neu-Romania statt und vorab bei den Einsiedler-Marschierern des Vierfarbenstammes aus Zürich, zu denen ich ebenfalls erst spät als Quereinsteiger geriet. Da war die alljährliche „Wallfahrt“ in der Adventszeit – Erinnerungen an die sagenhafte Rosenegg, wo einmal Hudis Schwager Viktor Eberle mit dem brennenden Adventskranz auf dem Haupt durch die Gegend tanzte.

Nun kommen weitere Geschichten, die unser Leben zusammengeschmiedet haben:

1956 war ich Aushilfsgerichtschreiber am Bezirksgericht Bremgarten. Es war vorgesehen, diese provisorische Stelle in eine definitive 2. Gerichtsschreiberstelle umzuwandeln.

Ich war überzeugt, die Stelle zu erhalten. Sie wurde ausgeschrieben und da kam ein Telefon aus Einsiedeln von Hudi. Er sei brotloser Anwalt in Einsiedeln, möchte schon lange heiraten, er könne aber keine Familie ernähren. Und er würde sich nun für diese Stelle interessieren.

Ich sagte ihm, in Laufenburg sei auch eine Stelle ausgeschrieben; diese war für Hudi aber zu weit weg, fast im Ausland. Darauf habe ich mir die Stelle und das Städtchen angeschaut, es hat mir gefallen und so haben wir abgetauscht: ich wurde in Laufenburg und Hudi in Bremgarten gewählt.

So kam Hudi 1957 mit seiner Familie in dieses Freiämter-Städtchen. Er hatte eine grosszügige Frau, wie es Hudi auch brauchte; sie war eine Tochter des Musiklehrers Eberle in Einsiedeln, ein Glücksfall für Hudi. Mit den Kindern Adrian, Wolfgang, Kathrin und Marianne lebte die Familie glücklich in Bremgarten.

Durch unseren Stellentausch blieben wir auch beruflich verbunden: als ich von Laufenburg nach Aarau gezogen war, wurde Hudi unter meiner „Federführung“ als Direktionssekretär der Justizdirektion der erste Kantonale Untersuchungsbeamte; später Staatsanwalt im Aargau.

Nach der Jugend in Einsiedeln, wohin sein Vater als Eisenbahner aus dem Wallis gezogen war, und dem ausgedehnten Gastspiel im Aargau, zog es Hudi in die angestammte Walliser Heimat.

Als Kind verbrachte er die Ferien bei seinem Onkel in Münster im Goms, das mit dem geschichtsträchtigen Geschlecht der von Riedmatten verbunden ist. Dort konnte er später ein altes Haus aus Familienbesitz erwerben.

Als ich ihn einmal nach Münster begleitete, nahmen wir im Hotel „Croix d’Or et Poste“ am grossen Stammtisch Platz. Er kannte alle Gäste und redete mit ihnen in einer Sprache, die mir völlig fremd war, mit alten, vom Onkel erlernten Ausdrücken, die sogar den jungen Anwesenden nicht mehr geläufig waren. Da wusste ich, dass er 2 Seelen hatte: die Innerschwyzer-Einsiedler-Seele und die Walliser-Seele. Das war auch so etwas, das ihn so vertraut und lieb machte.

Die Beherrschung des Walliser Deutsch war dann auch entscheidend für seine Wahl ans Bezirksgericht in Visp, sonst hätte er die Stelle wohl kaum erhalten.

Die Familie liess sich in einer geräumigen Wohnung an der Kantonsstrasse in Visp nieder.

Im gleichen Haus wohnte Hans-Peter Zen Ruffinen v/o Ziegel (*1923) mit der Pfarrerstochter Salome und Töchtern. Dieser hatte einen ähnlichen Weg vom Baumeisterhaus in Baden zur Lonza nach Visp in der Walliser Heimat genommen (er konnte aber nicht so gut Walliser Deutsch wie Hudi). Es bildete sich eine Familienfreundschaft. Ziegel war ebenfalls StVer „Doppelbürger“: Turicer und Neu-Romane (auch das geht). Ein solcher hatte schon in Bremgarten eine grosse freundschaftliche Rolle gespielt: der Zahnarzt Peter Nauer v/o Zapf (*1922).

So wurde Visp auch für mich und meine Frau, wie auch für Zwimpfer v/o bijou und seine Frau Brigitt zu einem beliebten und häufigen Wallfahrtsort.

Zu den Besuchen in Visp gehörten die obligaten Ausflüge nach Domodossola, wo Hudi auch Stammgast war. Eine Anekdote aus Domodossola:

Dort hatte Hudi nach meiner Wahl ins Bundesgericht die Idee, dass er meiner Frau neue Schuhe (sog. „Bundesrichterschuhe“) kaufen müsse. Dabei soll er zur Beschämung seiner anwesenden Tochter Kathrin meiner Frau an die Waden gegriffen haben. Sonst haben wir in Domodossola nur Hüte gekauft!

Die glückliche Zeit im Wallis brachte auch schwere Schicksalsschläge. Der Sohn Wolfgang verkraftete den Wechsel von Bremgarten an die Mittelschule Brig nicht und beendete sein junges Leben.

Verschiedene gesundheitliche Störungen brachten Hudi dazu, mehr Kamillentee zu trinken als Alkohol. Mit dem Spital Visp war er so vertraut, dass er sich bei Bedarf jeweils selber dort einwies.

Der schwerste Schlag war, als seine geliebte Cilli nach langer Pflegebedürftigkeit starb.

Schliesslich zog Hudi sich selber ins Martinsheim zurück, von wo er aber regelmässig seine Wohnung und die vertrauten Kneipen mit den letzten verbliebenen Freunden besuchte.

Im Martinsheim hat man ihn zum Schluss wunderbar palliativ begleitet, nachdem er sich entschieden hatte, auf Spitäler zu verzichten und sich gelassen auf das Sterben vorzubereiten.

Und so ist er dann am letzten Samstag, am 21. April, mit klarem Geiste in den Tod gegangen.

Bis zuletzt war Hudi ein Gentleman - gepflegt in Kleidung und Auftritt – ein geselliger, charmanter Menschenfreund - klug und spruchgewaltig - mit sprühender Phantasie: Er war ein echter de Riedmatten, der Patrizier kam hier zum Vorschein.

Und gleichzeitig ist er ein treues Muttergotteskind aus dem Finsteren Wald geblieben.

A Dieu mein lieber Freund et à bientôt. 

Carl Hans Brunschwiler v/o Skeps
(AKV Neu-Romania)


(von Oscar Gemsch v/o Tenno redigierte Tonaufnahme am Trauerkommers) 

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