Gotthard Bloetzer v/o Stamm, 07.02.1936 – 18.07.2015

18.07.2015 - Franz Neff v/o Possli

Nachruf

Dr. iur., Dipl. Forst-Ing. ETH

Gotthard Bloetzer v/o Stamm

Kyburger

07.02.1936 – 18.07.2015

 

 

Am 7.2.1936 wurde der Familie Hans Blötzer-Müller das vierte Kind geboren. Der Vater meldete dieses zur Taufe an und bat den Pfarrer, es auf den Namen ‚Simplon‘ zu taufen. Konsterniert reagierte dieser mit der Aussage, dass es keinen heiligen Simplon gäbe, doch ‚Gotthard‘ sei die akzeptable Alternative.

Dazu eine Originalaussage von Gody v/o Stamm: „Im Lötschental, meiner engeren Heimat wird erzählt, mein Vater habe das halbe Domkapitel zusammenrufen müssen, um die Grossmutter zu überzeugen, dass es einen heiligen Gotthard gebe und damit ihr Einverständnis zu erhalten!“

Liebe Familienangehörige, liebe Kyburger,

1958 bevölkerte sich der Fuxenstall der Kyburger höchst ansehnlich, fast 20 junge Männer begehrten Aufnahme in die akademische Kommentverbindung. Stamm war der Weg vorgezeichnet: Vater Hans (v/o Surr), Onkel Othmar (v/o Bietsch), die Brüder Peter (v/o Presto) und Paul (v/o Gambio) hatten den Schritt schon gemacht. Aldo Bamelli v/o Hösch trug mit Stolz die Fuxmajormütze und versuchte die jungen Herren Studenten zu ordentlichen Farbenbrüdern zu erziehen. Die meisten kannten die Usanzen aus der Kollegizeit, so auch Stamm, der bei den Brigensern Mitglied war.

An der UNI und am POLY wurden die farbentragenden Studenten als Bereicherung betrachtet. Viele der Professoren waren ebenfalls Couleuriker und kannten die Tages- und Abenderfordernisse der Verbindungen. Der Dresscode war auch klar: vor und hinter dem Vorlesungspult war Krawatte die Regel.

Gody v/o Stamm studierte Forstwirtschaft. Dieses Studium kombiniert Naturwissenschaft und Technik, in höheren Semestern werden Politik, Ökonomie und Recht doziert. Den Absolventen dieses Studiums war die Karriere in der Regel vorgezeichnet: in den Bundes- oder Kantonsämtern gab es für jeden einen Platz. Stamm zeichnete sich als solider und zuverlässiger Schaffer aus. Vorlesungen, Übungen und Exkursionen in Waldbau, Blumen- und Sträucherkunde, Wildbach- und Lawinenverbauungen u.ä. wurden besucht. Seine Interessen weckten in höheren Semestern intellektuellere Themen.

Seine beiden Pflichtpraxen, je ein halbes Jahr, absolvierte er in Burgdorf und Sarnen. In Obwalden, bei Kantonsoberförster Leo Lienert, fand er einen väterlichen Freud und hatte Einblick in die Arbeiten und die Organisation des Amtstellenchefs.

Nach dem Diplom 1964 fand er eine Anstellung bei der forstlichen Versuchsanstalt in Birmensdorf ZH. Dort hat er, nach gut 1 ½ Jahren, einen ihm missliebigen Vorgesetzten an die Wand und die Wand hochgedrückt, was einen Stellenwechsel nach sich zog! Hier sei gerade angefügt, dass Gody v/o Stamm stämmig und stark war.

An der ETHZ wurde er bei Professor Dr. Hermann Tromp Assistent für Forst- Ökonomie und -Recht. Dort fand er seine Erfüllung und seinen Platz. 1981 wurde er als Kantonsförster nach Sitten berufen. Heidi war happy.

Heidi Baumann, geboren in Altdorf, die Schwester von Martin Baumann v/o Memuar, war nach Zürich gekommen und bald eine von Kyburgern umschwärmte Frau. Gegenüber ihren Gleichaltrigen hatte Stamm einen nicht ganz leichten Stand, doch er gewann das entscheidende Liebesrennen. Die Hochzeit und die Festivitäten im Zunfthaus zum Königsstuhl bleiben legendär.

Heidi gebar vier Kinder: Stéphane, Dominique, Séline und Clemens. Sie organisierte die Familie und hielt Stamm den Rücken frei. Die Kinder verzürcherten beinahe, doch die jährlichen Ferien in Bürchen mit Gross-Mama und –Vater, die Besuche in Altdorf und die vielen Anlässe in Freundeskreisen prägten die Gemeinschaft und kittete sie zusammen.

Stamm hatte neben seiner Assistenz das Studium der Rechte begonnen. Die Belastung am Arbeitsplatz, Vorlesungen und Übungen mit den Studenten, auch Expertisen beschäftigten ihn. Er war tüchtig und genau. Die Ansprüche an die Wissenschaftlichkeit in allen Wissensbereichen sind bekanntlich angestiegen. Mit dem Forstrecht, das Stamm mit seiner Dissertation „Die Oberaufsicht über die Forstpolizei nach schweizerischem Bundesstaatsrecht“ stärkte, gelang ihm Anerkennung und in Forstkreisen entsprechend Achtung.

Die Nachfolge von Professor Tromp war eigentlich klar. Stamm schien das ‚Rennen‘ zu machen. Plötzlich kam ein anderer ins Gespräch und erhielt die Professur. Dieses Ereignis vereinfachte den Entscheid zum Wechsel ins Wallis. Die Kinder und Heidi freuten sich auf den Umzug. Stamm kniete sich in die Arbeit. Seine Ruhe und unantastbare Position halfen die höchst schwierige Aufgabe zu meistern. Die Vorlesungen am Poly boten ihm weiterhin Gelegenheit, nach Zürich zu fahren.

Er organisierte seine Arbeit effizient. Die Forstgesetzgebung wurde revidiert, die Kreise neu eingeteilt, die Anstellungen von Fachspezialisten im Kantonsforstamt entlastete die ‚Front‘, seine Kontakte ermöglichten besondere Projektarbeit, z.B. die Lawinenversuchsanlage im Vallée de la Sionne. Und er hatte Erfolg. Sein Departementschef sicherte die politische Rückendeckung! Anwürfe und sogar Drohungen, z.B. im Zusammenhang mit seinem Vorstandsamt für pro natura löste er durch Austritt. Meine Frage, wie es mit seinem Französisch im Welschwallis stehe, verblüffte mich. Er sagte: „Mein Französisch ist so einfach und klar, dass jeder mich versteht!“.

Seine Fahrten nach Zürich boten Gelegenheit, ihn am Stamm zu treffen. Viele Skifahrer der Kyburger fuhren ins Wallis, man traf sich bei Wanderungen im Pfynwald und entlang den Suonen und bekräftigte so die alten Verbindungen. Bei einem verlängerten Skiweekend auf der Bettmeralp erfrechten sich Stier und Co. in Wildruhezonen den jungfräulichen Schnee zu entweihen. Stamm war fuchsteufelswild! Beim abendlichen Bier gab’s Frieden. Der mir letztbekannte Kyburgeranlass, den Stamm besuchte, war ein Requiem in der Liebfrauenkirche.

Die langsam sich anschleichende Vergesslichkeit war für ihn und seine Umgebung schwierig oder überhaupt nicht zu verstehen. Die klare und präzise, oft einfach formulierte Gedankenwelt, seine überzeugende Argumentation und mit starkem Gesichtsausdruck untermalte Bestimmtheit gingen langsam dahin. Traurig und leidvoll war das Miterleben seines Verblassens. Sein Orientierungssinn blieb jedoch bin zum erlösenden Tod erstaunlich intakt, fast unglaublich.

Sein Sterben war für seine Frau Heidi, die Kinder, Angeheirateten, Kindeskinder und die grosse Verwandtschaft traurig und befreiend.

Für uns Kyburger ist der Verlust sehr gross. 

Franz Neff v/o Possli 

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