Hans-Rudolf Lienhard v/o Gwäss, 27.05.1927 – 22.04.2014

22.04.2014 - Christopher Lienhard

Nachruf

Bau-Ing. ETH

Hans-Rudolf Lienhard v/o Gwäss

Kyburger, Brigensis

27.05.1927 – 22.04.2014

 

 

Liebe Verwandte, liebe Trauergemeinde

Hans-Rudolf Lienhard wurde am 27. Mai 1927 als drittes Kind von Eduard Lienhard und Martha Lienhard-Wettstein in Baden geboren – nach den Töchtern Trudi (mit Jg. 1923) und Vreni (mit Jg. 1925). 1929 übersiedelte die Familie nach Brig, wo sein jüngstes Geschwister Eduard, der vor 3 Jahren verstorben ist, geboren wurde. 1934 erfolgte der Umzug nach Visp, wo mein Vater bis 1940 die Primarschule besuchte. Danach folgten 3 Jahre am Kollegium in Brig sowie 3 Jahre am Collège de Sion, welches er 1946 mit einer naturwissenschaftlichen Matura abschloss. Im gleichen Jahr begann er das Bauingenieur-Studium an der ETH Zürich und beendete 1950, nach 8 Semestern, den Normalstudiengang.

1947 hatte Hans-Rudolf Lienhard die Rekrutenschule als Geb Inf Kan in Andermatt ohne Ambitionen absolviert. Nach seinem Studium beschloss er 1950, im Militär eine Offizierslaufbahn einzuschlagen. So folgten in den Jahren 1951 und '52 die Unteroffiziersschule, das Abverdienen als Kpl, die Offiziersschule und das Abverdienen als Lt.

1957, als frisch brevetierter Oberleutnant, konnte er das Kdo einer der ersten Pak Kp der Schweiz übernehmen, was ihn immer mit Stolz erfüllt hatte. 1959 wurde er Hauptmann, anfangs der 70er Jahre Major im Pl Kdo Brig, wo er bis zu seinem regulären Ausscheiden aus der Armee 1987 verblieb.

1950 lernte er in der Studentenverbindung der Kyburger seine erste Ehefrau, nämlich meine Mutter, kennen. 1954 erfolgte die Heirat, und zwischen 1955 und 1959 wurden meine 3 Geschwister und ich geboren. Die Ehe wurde 1975 geschieden.

1952 – nach dem Abverdienen des Leutnants – fand mein Vater eine Anstellung in einer grossen Zürcher Bauunternehmung, für welche er in den folgenden Jahren an verschiedenen Kraftwerken in der Baustellenführung tätig war: Es waren dies die Maggia-Werke, Zervreila, Nalps und Göschenen; ab 1962 wiederum die Maggia-Werke und zuletzt, 1964, Mattmark, wobei seine Familie lediglich in Göschenen bei ihm war und ihn sonst mehrheitlich nur jedes zweite Wochenende sehen konnte.

Mein Vater hatte sich immer als Visper gefühlt; so ist es denn auch nicht verwunderlich, dass er in den 50er und anfangs der 60er Jahre ein klassischer "Heimwehwalliser" war. Die Tätigkeit am Mattmark bewog ihn, sich bei der Firma Bodenmüller in Visp zu bewerben und 1964 mit seiner Familie nach Visp zurückzukehren, wo er bis zum heutigen Tag verblieb. 1966 machte er sich mit einem kleinen Ingenieurbüro selbständig, welches er 1986 verkaufte, um die letzten 5 Arbeitsjahre in der Projektleitung der A9 tätig zu sein.

Ebenfalls 1966 erfolgte der Bau des Chalets in Bürchen, welches ihm über Jahrzehnte Ruhe und Erholung, aber auch Sinn in verschiedenen, eigenen Projekten gab: Mein Vater, der Techniker, Sammler und Bastler. 1983 verheiratete er sich mit Erika Lienhard-Kräutler. Aus meiner Sicht folgten, zusammen mit Erika, seine glücklichsten Jahre.

Sicher kennen viele von Ihnen meinen Vater als einen Mann des öffentlichen bzw. gesellschaftlichen Lebens: Mitglied in den Studentenverbindungen der Brigenser und Kyburger, während 20 Jahren Gemeinderat in Visp, Präsident des EHC Visp, Präsident des FC Visp, Mitglied der Schützenzunft Visp, Ehrenmitglied des Männerchores und des Tambouren- und Pfeiferverbandes – die Liste ist sicher nicht abschliessend. Erst nach seiner Pensionierung hat er sich zusehends aus dem öffentlichen Leben nach Bürchen zurückgezogen.

Was hat meinen Vater, Hans-Rudolf Lienhard, ausgemacht? Für mich sind das in erster Linie seine enorme Kontakt- und Beziehungsfähigkeit, die Fähigkeit, sich in das gesellschaftliche Leben und das Gemeinwohl einzubringen, Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen, hinzustehen, und seine Fähigkeit, Dinge zu erkennen, Lösungen zu entwickeln, anzupacken und umzusetzen. Er hat für die Gemeinde Visp und die Menschen in seinem Umfeld Vieles getan – und damit meine ich nicht nur die auch heute noch ersichtlichen Bauten, für welche er als Ingenieur zuständig war.

In zweiter Linie ist es für mich sein Schalk, sein Humor, seine Sprüche. Für mich blieb mein Vater bis ins hohe Alter ein ausgekochter Lausbub, der am liebsten mit einer Hand voll rostiger Nägel und zwei Blindschleichen in den Hosentaschen herumlief und für alle und alles einen guten Spruch bereit hatte.

Daneben gab es auch eine ernste, ernsthafte, eigensinnige, manchmal auch tragische und traurige Seite. Aussen- und Innensicht haben oft nicht übereingestimmt. Damit meine ich nicht nur die Diskrepanz zwischen seiner eigenen und der gesellschaftlichen, sondern auch die innerfamiliäre und die ausserfamiliäre Sichtweise. Mein Vater war lange Zeit ein Suchender, ein Getriebener, einer, der auch mit sich und seinen Persönlichkeitseigenschaften haderte. Es gelang ihm aber zusehends, mit sich und der Welt ins Reine zu kommen. Dazu beigetragen haben sicher seine Nepalreise 1978 und seine zweite Ehefrau Erika, deren Tod vor 3 Jahren ihn zu tiefst erschüttert hatte.

Es war für mich nicht immer einfach, der erstgeborene Sohn eines grossen Mannes zu sein. Und trotzdem: Es bleiben mir ein grosser Respekt vor seiner Art des "Mensch-und-in-der-Welt-Seins", seiner Schaffenskraft, seinen Werken – baulich und gesellschaftlich – seines Schalks und auch seines Eigensinns: ein Mensch, der es gewagt hat, sich selbst zu sein, sich den grossen Fragen des Lebens zu stellen und damit Anderen Vieles hat geben können.

Es macht mich stolz, Hans-Rudolf Lienhards Sohn zu sein, und ich freue mich, diesen Menschen gekannt zu haben. Und ich wünsche mir, dass er auch Ihnen, gerade durch seine spezielle Art, in guter Erinnerung bleiben kann. 

Christopher Lienhard

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