Carlo Odermatt v/o Struth, 22.03.1928 – 20.08.2016
20.08.2016 - Rolf Haltner v/o Junker
Nachruf
Dr. iur.
Carlo Odermatt v/o Struth
Kyburger
22.03.1928 – 20.08.2016
Noch anfangs August traf sich eine kleinere Schar Kyburger mit Struth im Garten des Schützenhauses Albisgüetli zu einem Mittagessen und für das nächste Mal wurde auch abgemacht. Keiner ahnte, dass unser lieber Struth dann nicht mehr dabei sein würde. – Erinnerungen an Struth gehen bis in meine Aktivenzeit in den Siebzigerjahren zurück. Struth pflegte damals jeweils spontan aus seinem Anwaltsbüro am Bahnhofplatz am Stamm im Schützengarten aufzutauchen. In oftmals kleinerem Kreise nahm er gerne das Gespräch mit Aktiven auf und interessierte sich insbesondere auch um deren Fortschritte im Studium und später dann auch im Beruf. T.A. erhielt dann jeweils nur, wer die entsprechenden Informationen erteilt hatte. Der eine und andere übernahm in seinem Büro bei Abwesenheit der Sekretärin auch aushilfsweise den Telefondienst. Sein sehr freundlicher Telefonanruf bei meinen Eltern, ob ich zu einem solchen Einsatz zur Verfügung stehe, bewirkte, dass sich der Goodwill für meine Verbindungsaktivitäten bei meinen Eltern rasant verbesserte. Selber verdanke ich Struth manch aufmunterndes Wort und manchen Ratschlag fürs Studium und später unzählige gute Ratschläge und Hinweise für das berufliche Fortkommen und auch für unschätzbar wohlwollende Unterstützung beim Schritt in die Selbständigkeit. Mit ihm über Gott und die Welt und besonders auch über neuere Werke zur Schweizer- und zur europäischen Geschichte speziell des 19. Jahrhunderts zu reden, war immer ein ganz grosses erbauliches Vergnügen.
Der Verstorbene hat uns eigene Aufzeichnungen hinterlassen, die es allein schon der trefflichen Formulierung wegen verdienen, übernommen zu werden:
„Um es geradeaus zu sagen, meine Verbindungskarriere ist nicht gerade als spektakulär zu bezeichnen. Die Kyburger können aber das Verdienst für sich in Anspruch nehmen, dass ich mich in ihrem Kreis immer sehr wohl gefühlt habe – vor allem verdanke ich der Verbindung die Tatsache, dass sie der Ort war, wo ich meine besten Freunde fand. Doch nun der Reihe nach vorerst etwas zu meinem Leben:
Geboren wurde ich am 22. März 1928 in Zürich. In Folge der äusserst schweren Geburt meiner Mutter blieb ich Alleinkind und wuchs in Zürich Enge auf. Mein Vater war Privatsekretär von Dr. Fritz Rieter, dem Eigentümer der Villa Wesendonck und dem ganzen Umgelände, dem Rieterpark. In der Villa Wesendonck hatte mein Vater bis zu seiner Pensionierung sein Büro, und ich fand im damals noch privaten Rieterpark meinen Spielplatz. Ich durchlief auf ziemlich unauffällige Weise eine äusserst glückliche Kinderzeit. Da ich keine Geschwister hatte, fand ich neben einigen Schulkameraden Zugang vor allem bei meinen Cousins und Cousinen. Die ersten Schatten fielen auf diese fast idyllischen Zustände etwa im dritten Jahr am Gymnasium in Zürich. Ich geriet dort wegen meiner eher dürftigen Leistungen vor allem in den naturwissenschaftlichen Fächern zunehmend ins Visier zweier Professoren, Physik und Mathematik, die – ich spürte das – meinen Abschuss planten. Als sich diese Absichten verdichteten, und ich unter diesen Verhältnissen zu leiden begann, zog ich einen ehrenhaften Untergang, d.h. den Abgang vor dem Ausschluss, vor. Meine fürsorglichen Eltern organisierten dann den Übergang in die 5. Klasse des Gymnasiums im Kollegium Schwyz.
Abgesehen vom Abschied vom Elternhaus und vor allem der mir äusserst beliebten Pfadfinderei, empfand ich diesen Schulwechsel als Befreiung, zumal ich in Schwyz nach kürzester Zeit voll in die Klasse und den Betrieb integriert war. Ich unterzog mich ohne Ausleben von Rebellionsgelüsten willig dem ziemlich strengen Regime und der fast doktrinären katholischen Imprägnierung.
In Schwyz kam ich erstmals mit dem StV in lose Berührung, wobei ich allerdings den Schritt in die Suitia nicht wagte. Die Rituale der Verbindung blieben mir damals eher fremd. Allerdings fand ich gerade bei einigen Suitianern speziell gute Kameraden, die in mir doch nach und nach die Lust in eine akademische Verbindung einzutreten wach hielten.
Im Sommer 1948 machte ich in Schwyz im oberen Mittelfeld die Matura und rückte unmittelbar danach in die Artillerie RS auf dem Monte Ceneri ein. Um es gleich vorwegzunehmen machte ich, was ich eigentlich ins Auge gefasst hatte, keine militärische Laufbahn und beendete diese als schlichter eidgenössischer Korporal.
Zurück aus der RS, ging es an die Uni, wo ich mich der Juristerei zuwandte; viel anderes wäre wegen meiner mathematischen Impotenz kaum in Frage gekommen. Das Jus-Studium ging ich gelinde gesagt sehr gemächlich an, d.h. – ehrlich gesagt überhaupt nicht. Von Insidern wurde mir schon im Kollegium doziert, dass es bei den Katholischen Verbindungen verschiedene Oberservanzen gäbe, sozusagen Strenggläubige und Losere, d.h. Block und Reform. Wenn schon dann schon, dachte ich: dann lieber Block. Ich besuchte im Dupont den Stamm der Turicer und im St. Peter den Stamm der Kyburger und beide gerade mehrere Male. Den Ausschlag gab dann mein Onkel Hermann Odermatt v/o Odi, und vor allem auch Tino Kistler, v/o Jalon, den ich von den Pfadfindern her kannte, für die Kyburger. Offen gesagt brauchte ich auch bei den Kyburgern eine gewisse Anlaufzeit, bis ich mich für die Verbindung erwärmte. Aber von Woche zu Woche fühlte ich mich im Schosse der Verbindung wohl und wohler. Jedenfalls fand man mich mehr am Stamm als an der Uni und das Bier fand ich auch von Mal zu Mal besser. Ich muss hier erwähnen, dass sich ein Jus-Studium von damals meilenweit unterschied vom heutigen Studienbetrieb. Damals - man kannte auch noch kein Lizentiat – gab es keine Prüfungen bis zum Doktorat.
Trotz dem saloppen Umgang mit dem Studium verlor ich nicht den Überblick und ab dem 4. Semester begann ich mit der Abgabe sogenannter Übungen in verschiedenen Sparten und fasste bereits im 5. Semester bei Professor Max Imboden, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht, eine Dissertation im Steuerrecht. Weil Prof. Imboden im Mai 1953 als Professor nach Basel gewählt wurde, setzte mir dieser, als ich ihm in seiner Sprechstunde zur Wahl gratulierte, eine Frist, die bei ihm gefasste Diss. bis Ende des Jahres abzuliefern, und wenn mir diese Frist als zu kurz erscheine, möge ich mich anderswo um ein Thema bemühen. Ich kniff mich in den Hintern nach dem Motto, die Welt gehört den Wagemutigen, und sagte, die Einhaltung dieser Frist sollte mir schon möglich sein. Ich setzte mich von allen Bereichen, die mich von einer seriösen Arbeit abhielten ab und nahm Quartier bei Onkel Ernst in Horgen, wo ich wie ein Berserker in die Riemen lag, die Dissertation sogar vorzeitig ablieferte und mich auf die Prüfungen - alles im Jahr 1954 - vorzubereiten begann.
In der Verbindungszeit war ich 1952 Aktuar und 1953 Fuchsmajor und verbrachte damals wirklich viel Zeit am Stamm und mit anderen Verbindungsaktivitäten. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass sich praktisch alle meine Freunde, ausser meinem Freund Tino Arnold, aus der Verbindung rekrutierten, zum Teil auch via Uni von anderen befreundeten Verbindungen. Nicht zu vergessen: ich war in den Sommerferien mindestens vier Mal F.K. Damals auch Frankfurter Kanalarbeiter genannt.
Nach Abschluss des Universitätsstudiums mit dem Doktorat pflegte ich auch andere mir genehme Aktivitäten. Ich war ein eifriger Kinokenner, liebte das Schauspiel und verschmähte auch nicht die Minne, die dann 1960 zur Verlobung und 1962 zur Heirat mit der Pharmazeutin Ruth Hauser führte. Ihr war von der Uni Basel her die Rauratia ein Begriff, war sie doch mit etwelchen Raurachern befreundet oder gut bekannt.
Ich verbrachte mit Ruth bis heute viele glückliche Jahre, wobei die Verbindung natürlich gewaltig ins Hintertreffen geriet. Nach der Geburt der Tochter Monika 1963 kam 1965 der Sohn Bernhard, der leider von Geburt ab ziemlich schwer behindert ist und mit Ausnahme der Wochenenden und der Ferien in einem sehr guten Heim untergebracht ist. Auch diese Konstellation brachte es mit sich, dass ich abgesehen von einem kürzeren Intermezzo im Vorstand nicht allzu viele Engagements in der Verbindung zeigte. Dies war auch ein Grund, mich von der aktiven Politik fern zu halten.
Und hier noch einige Worte zu meiner beruflichen Laufbahn:
Unmittelbar nach dem Studium begann das Berufsleben am Bezirksgericht Zürich, wo ich an verschieden Abteilungen als Gerichtssekretär tätig war. Hier lernte ich den Gerichtsbetrieb kennen und es begann bald einmal die grosse Preisfrage, ob man eine richterliche Laufbahn ins Auge fasste oder eine andere juristische Tätigkeit, beispielsweise die Advokatur vorzog. Für eine richterliche Laufbahn wäre es notwendig gewesen, sich politisch zu engagieren, was ich eine Zeit lang auch überlegte. Doch die am nächsten gelegene CVP zeigte – gewissermassen aus lauter Futterneid einiger Leute – sowenig Interesse an mir, dass ich diese Spur nicht länger verfolgte. Im Gegensatz dazu buhlte ein Exponent der SP um mich, er gab sogar fast Garantien ab, in so und soviel Zeit wäre ich Bezirksrichter, respektive etwas später Oberrichter. Es bedurfte einiger Standfestigkeit diesen Sirenenklängen nicht zu erliegen. Die ganze Werweiserei ob diese oder jene Richtung nahm ein abruptes Ende als mich Dr. Heinz Reichwein, ein ehemaliger Hausbewohner an der Scheideggstrasse und ein aufgestiegener sehr namhafter Anwalt, anging, ob ich nicht bei ihm als Mitarbeiter und späterer Partner eintreten wolle. Ich lief natürlich mit wehenden Fahnen zu ihm über, blieb ca. drei Jahre in jener Kanzlei und lernte viel. Nach etwa drei Jahren begann die Zusammenarbeit zu kriseln, weil ich nicht mehr voll für ihn tätig sein wollte. Ein weiterer Zufall brachte mich genau zu jener Zeit mit Dr. Hörni zusammen, der einen Nachfolger für seine Brauerei Mandate suchte. Schon die Materie „Bier“ brachte es mit sich, dass ich heisse Ohren kriegte und nicht lange zu überlegen brauchte, diesen sich anbietenden Schopf zu packen. Ich wurde dann bald sein Nachfolger in den verschiedensten Brauerei Gremien und als Höhepunkt wurde ich Präsident des Verbandsinternen Schiedsgerichtes des Schweizerischen Brauerei Verbandes und kurz gesagt wurde dieses Brauerei Mandat mit seinen Reflexwirkungen das wichtigste Standbein in meinem Berufsleben. Als dieses Standbein bei der Aufhebung der Konvention, d.h. des Zusammenbruchs des Brauereikartells, wegbrach, begann auch für mich der Anfang vom Ende meiner Berufslaufbahn im Jahr 1995. Neben der Tätigkeit für den Verband pflegte ich selbständig die Advokatur, an der ich jedoch nicht auf der ganzen Linie Gefallen fand.“
Und hier gilt anzumerken, Struth stand im Ruf, ein tüchtiger Anwalt zu sein. Weiter schreibt Struth:
„Seit 1995 bin ich beruflich inaktiv und geniesse den Herbst und jetzt bereits den tiefen Winter meines Lebens. Auch gesundheitlich ab etwa 2010 stellten sich diverse Molesten ein, die nicht mehr dazu angetan waren, grosse Sprünge zu machen. Vor allem in der Verbindung zeigte ich mich je länger desto weniger. Mit dem Herzen jedoch bin ich noch voll dabei und bin am Gedeihen der Kyburger sehr interessiert und bin erfreut, wenn ich von Erfolgen oder anderen positiven Ereignissen aus dem Kreis der Verbindung höre. Ich freue mich auch immer, wenn ich mich mit einer Gruppe von 12 jüngeren Kyburgern, die allerdings meistens auch schon im Pensionsalter stehen, treffe. Auch zufällige Kontakte mit Kyburgern jeglichen Alters sind für mich ein Vergnügen. Auch wenn ich in vielen Beziehungen sehr eingeschränkt bin, ist mein Lebensmut nicht erloschen, und ich möchte mein Leben noch möglichst lange im eigenen Haus zusammen mit meiner lieben Frau Ruth, den beiden Kindern und Enkeln geniessen. Wenn diese Gedanken von meinem Verbindungsfreund Junker verlesen werden, hoffe ich vor einem gnädigen Gericht abgeurteilt zu sein.“
Lieber Struth, Du bleibst uns allen unvergessen und wir danken Dir von ganzem Herzen für Deine Treue zur Verbindung und für Deine beständige tiefe Freundschaft. Ruhe in Frieden!
Rolf Haltner v/o Junker
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